Welcher Bogen?
Grundsätzlich werden drei Typen von Bogen unterschieden:
(1) Longbow / Langbogen (Beitrag von Albrecht)
(2) Recurve / Olympiabogen (Beitrag von Christoph)
(3) Compound (Beitrag von Andreas)
Nachfolgend werden die Unterschiede und Besonderheiten der einzelnen Typen beschrieben und erläutert.
Nur durch das Lesen eines Textes kann man jedoch keine Entscheidung treffen. Am einfachsten ist es, ihr kommt einfach einmal bei uns vorbei. Dann könnt ihr die verschiedenen Typen live sehen und ausprobieren. Unser Verein verfügt über verschiedene Leihbögen, die ihr für eine geringe Gebühr ausleihen könnt. Dann kann man probieren, ob einem der Bogen und die mit dem Bogen verbundene Schießtechnik liegt, oder ob man doch einmal etwas anderes ausprobieren möchte. Auch erfahrene Schützen in unserem Verein haben nach vielen Jahren erfolgreichen Schießens mit einem Bogentyp zu einem anderen gewechselt.
Aber halt - was ist denn eigentlich ein Longbow, ein Recurve oder ein Compoundbogen? Lest einfach weiter und ihr werdet es lernen...
Wer hat den Langbogen erfunden? (Eine Einleitung von Florian Moser)
Der Langbogen, der von einem Ende bis zum anderen so lang wie der Schütze ist, wurde Ende des 13. Jahrhunderts von Waliser Bogenschützen erfunden. Im Kampf war er deutlich schneller mit Pfeilen zu bestücken als die bis dahin eingesetzten Schusswaffen, allen voran die weit verbreitete Armbrust. Die größere Reichweite und stärkere Durchschlagskraft haben schnell dazu geführt, dass der Langbogen die bislang verwendeten Bogen verdrängte.
Der Longbow ist auch heute noch der Klassiker unter den Bogen. Bekannt aus den vielen Robin Hood Filmen ist ein Longbow das Symbol für Bogenschießen "pur".
Im einfachsten Fall besteht der Longbow aus einem Stück Holz ("Schaft") und einer Schnur ("Sehne"). Aber aufgepasst - es gibt auch hier verschiedenste Materialien. Der Schaft besteht in der Regel nicht nur aus einer Sorte Holz - verschiedene Materialien werden miteinander zu aufwendigen Laminaten verklebt, mit dem Ziel, einen angenehmen Auszug (Spannen des Bogens) und eine hohe Abschussgeschwindigkeit zu erreichen. Schnickschnack, moderner High-Tech-Unsinn? Weit gefehlt! Schon der Ötzi benutzte vor vielen tausend Jahren einen Bogen aus einem Laminat verschiedener Hölzer und Tierhorn.
Ein Longbow kann auf zwei Arten geschossen werden:
Instinktschützen zielen nicht, sondern fassen das Ziel ins Auge, ziehen den Bogen aus, schießen nahezu unmittelbar nach dem Auszug und treffen dann auch noch.
Man kann aber natürlich auch zielen. Das ist jedoch beim Longbow nicht so ganz einfach, denn dieser Bogen hat keinerlei Visier: "Kimme" und "Korn" sucht man vergeblich. Aber Bogenschützen sind erfinderisch: Die Pfeilspitze ist das Korn und die Sehne (fachchinesisch = "Sehnenschatten") ist die Kimme. Nun muss der Bogenschütze sich nur noch merken, wohin er zielen muss, um das eigentliche Ziel zu treffen. Er weiß z. B. dass er auf 50 Meter 4 Fingerbreit über die Scheibe halten muss, um letztlich genau das Scheibenzentrum zu treffen. Die meisten Schützen kombinieren Instinktschießen mit Zielen.
In der Regel wird mit Holzpfeilen geschossen. Die meisten Schützen bauen diese Pfeile selbst: Spitze anbringen, liebevoll befiedern, den Nock setzen und ggf. sogar noch kunstvoll bemalen. Überhaupt halten Longbow-Schützen viel vom Selbermachen: Sehnen, Köcher und allerlei Zubehör ist meist selbst hergestellt.
Die Sehne löst der Longbow-Schütze mit der blanken Hand oder einem sogenannten Tab. Ein Tab ist im Grunde nur ein Stück Leder, welches zwischen die Finger und die Sehne gelegt wird. Es verhindert, dass die Sehne an den Fingern scheuert oder beim Ausziehen sich beim Ausziehen die Sehen in die Finger "gräbt". Weiterhin kann die Sehne beim Schießen mit einem Tab einfacher und präziser losgelassen ("gelöst") werden. Damit ist das Schussergebnis besser als beim Lösen mit der blanken Hand.
Wenn man einen Longbow auszieht, dann ergibt sich ein nahezu linearer Kraftverlauf: je mehr der Bogen gespannt wird, umso mehr Kraft braucht man. Longbow-Schützen schießen daher ihre Pfeile schnell ab, da der Kraftaufwand sehr groß ist. Trotzdem versucht man mit möglichst hohen Zuggewichten (=Kraft, die gebraucht wird, um den Bogen zu spannen) zu schießen. Der Grund ist einfach: ein hohes Zuggewicht bedeutet eine hohe Abschussgeschwindigkeit für den Pfeil. Eine hohe Geschwindigkeit lässt den Pfeil "gerade" fliegen, d. h. er fliegt keinen so großen Bogen nach oben. Und damit werden die Schussergebnisse besser.
Ein Longbow-Schütze liebt die freie Natur. Schießen in der Halle? Nur, wenn es unbedingt nötig ist.
Fazit:
Ein Longbow ist etwas für Puristen, die auch gerne selbst ihr Zubehör bauen möchten.
Ein Anfänger muss einige Zeit trainieren, um brauchbare Schussergebnisse zu erzielen. Alles in allem gilt - ausprobieren!
Der Recurvebow oder Olympiabogen
Der Recurvebogen ist eine technische Weiterentwicklung des Langbogens. Er wird auch „Olympiabogen“ genannt, weil nur diese Bogenart bei den Olympischen Spielen vertreten ist. Seine Form zeichnet sich dadurch aus, dass die Enden der Wurfarme nach vorne in Richtung Ziel gebogen sind und somit eine "Gegenkurve" (engl: recurve) bilden. Durch diese Biegung ergeben sich schon bei geringeren Zuggewichten eine deutlich höhere Abschussgeschwindigkeit und somit Präzision im Vergleich zum Langbogen.
Ein Recurvebogen besteht aus einem Mittelteil (Griffstück), zwei Wurfarmen die in das Mittelteil gesteckt oder geschraubt werden, der Sehne, einem Visier und einer Stabilisation. Von Holz über Aluminium bis hin zu Carbon werden hier an fast allen Teilen alle Materialien verwendet (je nachdem wie viel man ausgeben möchte :-) ).
Durch die austauschbaren Wurfarme ist es möglich, dass der Bogen mit dem Schützen „mitwächst“. So wird ein Jugendlicher vielleicht mit 18 Lbs (ca. 9 kg) Zuggewicht anfangen und innerhalb eines Jahres je nach Trainingsumfang auf ca. 30 Lbs erhöhen. Die Erwachsenen schießen im Bereich von 40-42 Lbs um bei Entfernungen bis 90 m die Scheibe treffen zu können. Ein Wettkampf der über 72 Pfeile (plus Probe) geht ist somit auch durchaus als anstrengend anzusehen.
Geschossen wird der Recurvebogen wie der Langbogen mit den Fingern, an welchen man einen Schutz aus Leder (Tab) trägt. Gezielt wird über das am Mittelteil befestigte Visier sowie über den Sehnenschatten und den Ankerpunkt am Hals. Das liest sie nicht nur komplizierter als "Kimme und Korn" - das ist es auch! Wenn man dann weiß, dass der Stand der Sonne den Sehnenschatten beeinflusst, kann man sich vorstellen was für eine Herausforderung das ist.
Aber genau das macht das Recurve-Schießen so interessant. Man lernt praktisch nie aus und wird bei kontinuierlichem Training doch ständig besser. Und wenn man fleißig trainiert wird man immer öfter durch das Gefühl belohnt, einen „perfekten Schuss“ abgegeben zu haben.
Der Compound-Bogen oder High Precision Shooting
Der Compound-Bogen ist die jüngste Entwicklung im Bogensport und kommt, wie könnte es anders sein, aus Amerika.
Er wurde hauptsächlich für die Jagd entwickelt, denn dort kann er seine spezifischen Vorteile am besten ausspielen, um hier nur einige zu nennen:
• Kürzere Gesamtlänge
• Höhere Abschussgeschwindigkeit
• Der Bogen ist immer gespannt
• Präzisere Zielvorrichtung
• Exaktere Pfeilführung
Compound-Bögen unterscheiden sich von anderen Bogen grundsätzlich durch ihren Aufbau:
Sie besitzen Umlenkrollen an den Wurfarmen, deren Wirkungsweise am besten mit denen eines Seilzuges vergleichbar ist. Diese Umlenkrollen, auch Wheels, Cams oder Speed-Cams genannt, bringen den Vorteil, dass der Bogen bei vollem Auszug nicht das volle Zuggewicht hat wie z.B. ein Recurvebogen. Am Anfang hat man ein größeres Zuggewicht zu überwinden, die vorgespannten Rollen bewegen sich nach hinten und man kommt zu dem Punkt, "Peak weight" genannt, wo der Bogen das maximale Zuggewicht aufweist. Danach setzt die Hebelwirkung der Rollen ein und das Zuggewicht verringert sich drastisch, man befindet sich im sogenannten Tal. Der Unterschied zum o.g. "Peak weight" kann bis zu 75% betragen, man spricht vom "Let off" eines Bogens.
Der Vorteil liegt auf der Hand, bei vollem Auszug hat der Compound-Schütze wesentlich weniger Zuggewicht "auf der Hand“. Das verhilft dem Schützen zu einem leichteren Zielvorgang und er kann den Bogen länger ruhig halten, muss also nicht so schnell lösen, wie bei anderen Bogenkonstruktionen. Die Umlenkrollen sind mit den sogenannten Kabeln miteinander verbunden, damit haben Compound-Bögen zusätzlich zur Sehne noch zwei weitere "Schnüre", die zusammen mit den Rollen die typische High-Tech Ansicht eines Compound-Bogens ausmachen (ganz abgesehen von Stabilisatoren und Visieren).
Der Compoundbogen lässt sich außerdem besser an die Bedürfnisse des Schützen anpassen, da er in Bezug auf Auszugslänge und Zuggewicht in gewissen Grenzen einstellbar ist. Das Zuggewicht lässt sich bei den meisten Bögen durch auf- oder zudrehen der Wurfarme am Griffstück im 20 LBS Bereich variieren und man hat die Möglichkeit, durch Umhängen der Sehne an den Rollen 2-3 Zoll Auszugslänge einzustellen ( LBS heißt nicht Landesbausparkasse, sondern ist die Maßeinheit englische Pfund 20 LBS = ca. 20 Pfund = ca. 10 kg).
Compound-Schützen verfügen außerdem über diverse Hilfsmittel, die zu einem präziseren Schießen beitragen:
Sie haben "Kimme und Korn" , nur heißt es beim Bogenschießen "Peep-Sight" und "Scope".
Das Scope ist mit einer Linse versehen (2x-4x vergrößernd) und man kann es durchaus mit dem Zielfernrohr bei Gewehrschützen vergleichen. Das Peep-Sight ist in die Sehne eigearbeitet. Es ist mit einem Loch versehen. Beim Schießen schaut der Compound-Schütze durch Peep und Scope und hat somit eine sehr genaue Zielmöglichkeit.
Der Compound-Schütze hält die Sehne nicht mit den Fingern, sondern löst mit einem "Release". Durch den extrem engen Sehnenwinkel beim Vollauszug hat man nur sehr eingeschränkt Platz für die Finger, deshalb das Release, welches eine Schlinge besitzt, die um die Sehne gelegt wird.
Ein großer Vorteil des Release ist der Abzug: wie bei einem Gewehr oder einer Pistole wird auf den Abzug gedrückt und der Pfeil fliegt los. Dies Art Pfeile zu Lösen (=abzuschießen) ist erheblich einfacher, als das Lösen mir der Hand.
Compound-Bögen haben eine bewegliche Pfeilauflage, die vertikal arbeitet und damit den Pfeil beim Abschuss deutlich weniger behindert wie das starre Pendant beim Recurvebogen. Der Pfeil kann sich unbeeinflusster vom Bogen lösen, die Flugbahn ist damit sauberer. Manche Schützen verwenden sogenannte Klappauflagen, die, verbunden mit den Kabeln (das, was an den Rollen hängt, Seilzugprinzip), erst beim Ausziehen des Bogens nach oben klappen, um den Pfeil zu halten.
Desweiteren werden Compound-Bögen fast immer mit sogenannten Stabilisatoren, kurz Stabis, geschossen, die auch im Recurvebereich Verwendung finden. Sie dienen dazu, die Vibrationen beim Abschuss zu dämpfen und dem Pfeil eine ruhigere Flugbahn zu geben.
Natürlich gibt es auch unter den Compound-Schützen Puristen, die komplett ohne obengenannte Hilfsmittel schießen, das sind dann sogenannte Compound Blankbogenschützen.
Somit liegen die Vorteile eines Compound-Bogens klar auf der Hand:
Sehr präzise Zieleinrichtung, höhere Abschussgeschwindigkeit, flachere Flugbahn und eine insgesamt höhere Fluggeschwindigkeit der Pfeile. Das Alles ist natürlich beim Jagdschiessen sehr von Vorteil, es kommt außerdem noch das bessere Handling des Bogens dazu, weil Compound-Bögen deutlich kürzer als alle anderen Konstrukte sind.
Inzwischen hat der Compound, obwohl jahrelang verpönt, aber auch in alle anderen sportlichen Bogendisziplinen Einzug gehalten wie Fita oder Feldbogen. Nur bei Olympia ist er weiterhin nicht zugelassen, die Verantwortlichen in der internationalen Bogensportlobby hegen wahrscheinlich gewisse Befürchtungen bezüglich der Ringzahlen, die ein Compound-Schütze bringen kann (meine persönliche Meinung, ich will keinesfalls die Leistungen von Recurve-Schützen schmälern).
Es gäbe noch viele Dinge hinzuzufügen über technische Besonderheiten wie Ein- oder Aufdrehen der Sehne, Verlängern oder verkürzen den Kabel, Auswahl und Synchronisation der Rollen, nur das würde den Rahmen dieser Homepage sprengen.
Spezifische Anfragen am besten per E-Mail an den Verein richten oder, noch besser, Mitglied werden und am Training teilnehmen.